Um Wicklungen von Produktionsresten zu reinigen kann man sie ausglühen. Wie stark muss man glühen, und was ist mit Metalloxiden?
Meinen aktuellen Recherchestand zum Ausglühen diverser Drahtsorten fürs Dampfen halte ich in diesem Beitrag fest.
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Falls bei den Begriffen im Beitrag Fragezeichen über'm Haupthaar aufplöppen: Abkürzungen & Begriffe
- Vorwort
- Warum Drähte reinigen?
- Wie reinigen?
- Metalloxide
- Glühen diverser Drahtmaterialien
- Fazit
- Links & Kommentare
Vorwort
Metalle und ihre Eigenschaften – das ist schlimmer als Raketenwissenschaft. 🙂
Ich habe mich mal sehr ausgiebig mit dem Thema „Metall glühen“ beschäftigt, interessante Sachen über Spannungsfreiglühen, Anlassfarben und andere tolle Sachen gelesen. Dabei taten sich ein paar Fragen auf – wie sich das auf fisselige Dampferdrähte überträgt / gültig ist. Denn das was man da so lesen kann bezieht sich auf industrielle Anwendungen, dicke Stahlplatten, stundenlangem Glühen bei recht exakten Temperaturen, und genau definierten Abkühlvorgängen, etc, hochkompliziert…
Ganz soviel Zeit haben Dampfer nicht, und so genau bekommen wir es auch sowieso nicht hin. Also musste ich testen… Was wie bei welchem Draht ausreichend ist, und ob „pi mal Auge“ funktioniert, oder zum Glücksspiel wird. Dabei habe ich wirklich interessantes neues gelernt, zum Beispiel wie man eine goldene Zuhälter-Wicklung herstellen kann. 😉 Vor allem aber das man am Ende eben doch keine Wissenschaft aus dem Thema Glühen / Säubern von Drähten zu machen braucht – puhh, Glück gehabt. 🙂
Warum Drähte reinigen?
Jeder Draht besitzt ölige Produktionsrückstände die bei Hitze & Nässe frei werden, also beim Dampfen. Fettige/ölige Substanzen sollte man besser nicht inhalieren: Lipidpneumonie. Zudem hat ungereinigter Draht einen muffigen / metallischen Geschmack, auch nich schön. Deshalb sollte man den Draht reinigen, um ihn von den Produktionsrückständen zu befreien.
Glühen
Klassisch werden Drähte ausgeglüht, um sie von Produktionsrückständen zu befreien.
Diese Vorgehensweise kommt aus einer Zeit wo man ausschließlich Drahtmaterial verwendet hat das explizit als Heizdraht konzipiert ist (Kanthal / NiChrom) – also dafür gemacht um sehr heiß zu werden, und sogar zu glühen, ohne das der Draht dabei kaputt geht / leidet.
Für das Ausglühen stellt man am besten eine sehr geringe Leistung ein und lässt den Draht sehr „langsam kommen“. Man kann auch mit normaler Leistung (die mit der man Dampfen würde) per Feuerknopf in kurzen Abständen „pulsen“, wenn man dabei nicht über das Ziel hinausschießt.
Pyrolyse
Heutzutage werden häufig Drahtmaterialien verwendet die nicht wie Kanthal & NiChrom explizit als Heizdrähte konzipiert sind, und je nach Drahtsorte kann/soll es Nachteile haben sie zu glühen, bzw zu stark zu glühen (Details weiter unten). In jedem Fall vertragen sie deutlich weniger Temperatur bevor sie durchbrennen.
Das ist aber kein Problem, denn:
Zum Verbrennen von Produktionsrückständen reichen schon „niedrige“ Temperaturen – sogar so niedrig das man den Draht noch gar nicht aufglühen sieht.
- Taste Dich mit der Watt-Leistung von weit unten langsam nach oben.
- Die Temperatur ist dann ausreichend wenn nach einer Temperaturerhöhung kein Rauchwölkchen mehr vom Draht aufsteigt.
TC-fähige Drähte kann man sehr kontrolliert im TC-Modus erwärmen.
Die festgebrannte Asche/Schlacke kann man per Wet Burn entfernen.
Metalloxide
Beim Erwärmen von Metallen an der Luft (also „trocken“) entsteht ab gewissen Temperaturen eine Oxidschicht. Diese ist bei sehr vielen Anwendungen (Werkzeugherstellung zB) oft erwünscht, da sie wie ein Schutzpanzer wirkt und die Oberfläche verbessert:
- härter / schlagfester / abriebfester
- korrosionsbeständiger
- glattere Oberfläche
In der Dampferszene gab / gibt es immer wieder Diskussionen über eine potenzielle Schädlichkeit von Metalloxiden. Die Befürchtung ist das sich Metall (oder eben die Oxidschicht) beim Dampfen auf/-ablösen könnte und man etwas einatmet das möglicherweise nicht gesund ist.
Dagegen spricht meiner Meinung nach einiges:
- Die Oxidschicht liegt nicht „lose“ auf der Drahtoberfläche, sonst könnte sie die oben genannten Eigenschaften gar nicht erfüllen.
- Selbst wenn sich ein paar Moleküle lösen sollten, so macht auch immer die Dosis das Gift.
Ich vertrete für mich die Philosophie „Vermeide potenziell schlechtes, wenn der Aufwand vertretbar ist.“, aber ich lasse dabei die Kirche im Dorf. Wenn ich jeden Tag 10.000 Rußpartikel von Autos & Industrie einatme, dann dürfen auch noch gern 10 Oxidpartikel von meinem Draht dabei sein, das ist dann echt wumpe. - Von den Oxidarten ist keine Schädlichkeit bekannt, mit Ausnahme von Titandioxid, welches „verdächtig“ ist – dazu unten gleich noch mehr.
Oxidmenge
Für die Bildung von Oxid gilt:
Stärkere Erwärmung, oder längere Erwärmung = dickere Oxidschicht.
Erkenntnisproblem:
Wir wissen nun nicht ob beim Dampfen eine dickere Oxidschicht nachteilig sein könnte, oder sogar einen Vorteil darstellt (mehr „Panzerung“, bessere Oberflächenstabilität & Versiegelung des Drahtes).
Was richtig ist wird davon abhängen ob die ersten Oxidschichten stärker am Metall haften, als höhere Oxidschichten auf darunterliegenden Oxidschichten. Könnte ein kompliziertes Thema werden, weil es möglicherweise auch noch jeweils von der Metall-/Oxidart abhängen könnte. Da jedoch beim Herstellen von Werkzeugen deren Qualität von den Anlassfarben abhängt gehe ich davon aus das die dünne Oxidschicht auf bunten Drähten stabiler ist als eine dickere Oxidschicht (die dann grau / weiß wird).
Ich persönlich erwärme Drähte schon länger so das die dünne Oxidschicht entsteht – der Draht also bunte Farben bekommt.
Glühen diverser Drahtmaterialien
Starkes Glühen ist in Bezug auf die Entfernung von Produktionsrückständen unnötig, kann aber gewünscht sein um eine gebrauchte Wicklung leichter wieder „freizubrennen“, oder um Hot Spots zu entfernen (welche Temperaturen dafür tatsächlich nötig sind werde ich in einem anderen Beitrag ergründen).
Kanthal und NiChrom
- Sichtbares Glühen ist bei Kanthal / NiChrom sicherlich kein Problem, denn sie sind für sehr hohe Temperaturen konzipiert – es sind explizit Heizdrähte. Wer seine Wicklungen gerne stark glühen möchte der findet hier das unempfindlichste Material dafür.
- Wer sich hier Sorgen um Metall- oder Oxidpartikel machen möchte sollte niemals einen Fön, Heizlüfter, geschweige denn einen Toaster benutzen. Die Belastung die der Draht beim Dampfen erfährt ist geradezu lächerlich (~250°C im nassen Umfeld mit „Zangskühlung“) im Vergleich zu dem wofür die Drähte gemacht sind (weit über 1000°C im trockenen Umfeld).
- Immer noch Sorgen? Dann nimm Kanthal A1, dessen Oxidschicht nach Aussagen des Herstellers besonders stabil ist.
Empfehlung
Glühe mit einer Glühfarbe von dunkelrot bis orange.
Edelstahl
- Unter Wärme & Sauerstoffeinfluss bildet sich ab einer gewissen Glühtemperatur Chrom(III)oxid, was harmlos ist.
- Zu hell geglüht wird die Oxidschicht zerstört, die Oberfläche rauher, und der Draht anfälliger für Rostentwicklung. Sieht nicht gut aus, ist aber auch unbedenklich.
Quelle: Kirsten, die ERF-„Forumsmutti“: ERF-Thread“ – Darf man Edelstahldrähte ausbrennen?“ - Rost-Entwicklung kann auch durch Leitungswasser im Liquid verursacht werden. Wenn es Dich stört, verwende destilliertes oder demineralisiertes Wasser AM | EB.
Quelle: ERF-Thread – „Edelstahl ausglühen?“
Empfehlung
Glühe mit einer Glühfarbe von dunkel- bis kirschrot:
Wähle im Watt Modus eine schwache Leistung mit der der Draht langsam aufheizt.
Im TC-Modus geht es noch einfacher, kontrollierter.
Hat der Draht nach dem Glühen eine bunte Farbe (rötlich/braun/violett/blau/gold), dann hast Du alles richtig gemacht.
Titan
Unter Wärme & Sauerstoffeinfluss bildet sich ab einer gewissen Glühtemperatur Titandioxid. Dieses ist zunächst mal sehr unverdächtig, Zitat Wikipedia -> Titandioxid: „Es ist chemisch stabil, ungiftig und unter der Kennzeichnung E 171 als Lebensmittelzusatzstoff beispielsweise in Zahnpasta, Kaugummis und Hustenbonbons anzutreffen…“
Aber: Im Juni 2017 wurde beschlossen das Titandioxid als „krebsverdächtig bei inhalativer Aufnahme“ eingestuft werden soll.
Wikipedia -> Titandioxid -> Risiken
Dort steht auch „Sehr hohe Konzentrationen …“. Ob die Menge auf einer zu heiß geglühten Wicklung unter diese schwammige Definition fallen würde ist fraglich – es geht da womöglich eher um Arbeiter die täglich säckeweise damit hantieren.
Empfehlung
Erwärme den Draht maximal so das er so gerade eben sichtbar glüht. Nach dem Abkühlen sollte er bunt sein, beispielsweise so:
Perfekt ausgeglüht. Dort wo der Draht nicht geglüht hat wird er nur golden, dann violett, dann bläulich.
Bei schwachem Glühen wird er dann wieder silbrig, und hat noch keine weiße Oxid-Schicht (die vier mittleren Wendel).
Wird Titan stärker geglüht wird die Oxidschicht dicker, und als weißliche Schicht sichtbar. Mit dem bloßen Auge sichtbar, oder wenn die Augen nicht mehr so fit sind, unter einer normalen Lupe.
Wähle am Akkuträger eine sehr schwache Leistung bei der der Draht langsam und für Dich kontrollierbar aufheizt (4-5 Watt für eine normale Eindraht-Wicklung zB). Wenn die Rauchwolke aufsteigt erhöhe die Temperatur noch mal leicht, bis kein Rauch mehr aufsteigt, das reicht dann schon.
Im TC-Modus kannst Du es komplett kontrolliert machen.
Solltest Du es beim Glühen stark übertreiben, so das der Draht hell-weiß leuchtet, so kann er zu brennen beginnen.
Zirconium
Unter Wärme & Sauerstoffeinfluss bildet sich ab einer gewissen Temperatur Zirconiumdioxid. Es ist keine Schädlichkeit bekannt. Die weiß-graue Dioxid-Schicht bildet sich erheblich früher als bei Titan, schon bevor der Draht sichtbar glüht.
Empfehlung
Erwärme den Draht so das er nach der Erwärmung bunt ist:
Wähle am Akkuträger eine SEHR schwache Leistung bei der der Draht langsam und für Dich kontrollierbar aufheizt (4-5 Watt für eine normale Eindraht-Wicklung zB).
Im TC-Modus kannst Du es komplett kontrolliert machen. Es benötigt nicht viel Temperatur für obiges Ergebnis, etwa 60°C über der Temperatur mit der man dampft.
Mehr Details über Zirconium: Wickeln mit Zirconium
Fazit
Das Thema „Metall“ ist hochkomplex. Zum Dampfen aber kann man es auf eine Vorgehensweise vereinheitlichen die immer passt:
Um Produktionsrückstände zu entfernen reicht es den Draht so zu erwärmen das der Draht noch nicht mal bunt wird. Das ist eine Temperatur die weit entfernt vom sichtbarem Glühen ist.
Im TC-Modus geht das besonders einfach, und kontrolliert. Hier lassen sich dann auch goldene Zuhälter-Wicklungen herstellen, auch schön. 😀
Idealerweise kombiniert man das Erwärmen mit 2-3 Wet Burn, dann hat man eine sehr saubere Wicklung die von Anfang an top schmeckt. Das ist umso wichtiger je mehr Oberfläche die Wicklung besitzt… Clapton & Co bekommen bei mir nicht nur einen Wet Burn, sondern eine kurze Ultraschallbehandlung (Sonic Burn), weil das in jede Ritze dringt.
Nicht-TC-Drähte (Kanthal, NiChrom) können im VW-Modus bei ganz schwacher Leistung (oder kurz gepulst) so weit erhitzt werden das man sie so gerade eben glühen sieht, reicht völlig.
Eigentlich doch alles ganz einfach. 🙂
Gerne würde ich mir mal die Oberfläche von Drähten bei verschiedenen Temperaturen in erheblich besserer Qualität/Vergrößerung ansehen, wofür ich ein Mikroskop bräuchte. Wenn auch Du Schockbilder 😉 in diesem Blog sehen möchtest spende etwas: Sammelkasse Equipment
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